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I love KMU !

Artikel zur Unternehmenssteuerreform II (USR II)
erschienen im Stadtblatt Winterthur, vom 27. Januar 2008

I love KMU

VON JACQUELINE BADRAN*

Mit diesem Slogan werben die Befürworter der Unternehmens-Steuerreform, über die wir in Kürze abstimmen werden, und führen uns damit auf beispielslose Weise in die Irre.

Wir alle lieben KMU – die kleinen und mittleren Unternehmungen, das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, in denen rund 80% der Schweizer Bevölkerung arbeiten. Ausnahmslos alle wollen den KMU Sorge tragen und dafür schauen, dass sie gute Rahmenbedingungen haben. Es gibt davon rund 300’000 in der Schweiz. Rechtlich organisiert sind sie meist in Personengesellschaften, nur rund 90’000 davon sind Kapitalgesellschaften (AGs und GmbHs). Der umstrittene Teil der Unternehmenssteuer-Reform, die steuerliche Begünstigung bei Dividendenausschüttungen von Aktionären mit mehr als 10% Beteiligung, betrifft nur die Kapitalgesellschaften – die Bauern, der Schreiner, die Coiffeuse sind nicht gemeint, denn diese sind in den seltensten Fällen AGs.

I am KMU. Ich bin Miteigentümerin und Geschäftsführerin einer solchen KMU, eine AG, die Dienstleistungen in der Internet- und Softwarebranche erbringt. 2000 gegründet – demnach vor Kurzem noch ein Startup (modern für Jungunternehmung). Heute 23 Mitarbeitende und ein Spin-off (Abgespaltene neue AG) mit rund 6 Mitarbeitenden. Also ich bin gemeint mit dieser Steuerreform, meine Firma sollte profitieren, mehr Investitionen, mehr Arbeitsplätze ist die Verheissung.

Ich habe genau hingeschaut, bei anderen nachgefragt: Löst die Entlastung der Dividendenbesteuerung einige unserer Probleme?
Eigentlich schütte ich keine Dividende aus. Die ersten Jahre haben wir grosse Verluste geschrieben, die Gewinne der folgenden Jahre haben dazu gedient, diese Verluste zu kompensieren. Deshalb musste ich auch nie Steuern zahlen. Dieses Jahr könnte ich Dividenden ausschütten. Wir sind drei Haupteigentümer, zwei davon arbeiten in der Firma, einer ist ein stiller Investor. Wir alle wollen keine Dividenden. Denn wir wollen die Gewinne in der Firma lassen, für schlechtere Zeiten. Wir arbeiten für die Grosskonzerne – wie die meisten KMU – die Werbe- und Grafikbüros, die Berater, die vielen KMU der IT-Branche. In der Rezession streichen diese zuerst die Informatik- und die Marketingbudgets. In der Folge haben wir viel weniger Aufträge. Haben wir Reserven, dann brauche ich niemanden zu entlassen und wir können uns endlich um interne Projekte kümmern, für die wir nie Zeit hatten, neue innovative Dienstleistungen entwickeln und neue Märkte erschliessen. Dies sind die Investitionen der Dienstleistungs-Unternehmungen. So ein Verhalten ist absolut typisch. Es sichert die Arbeitsplätze, die Zukunftsfähigkeit der Firma und sorgt für Rezessionsrisiken vor.

Sollten die Gewinne sich anhäufen zahlen wir Boni an alle Mitarbeitenden, das schmälert die Gewinne und so fallen auch kaum Gewinnsteuern an. Auch das ist absolut typisch für Dienstleistungs-KMUs. Würde ich Dividenden ausschütten und wären diese steuerreduziert, würde ich persönlich profitieren und hätte einen Anreiz mir weniger AHV- und Einkommens-steuerpflichtigen Bonus zu geben. Meine Firma würde aber davon nicht profitieren; wieso in aller Welt behauptet wird, dass mehr investiert würde, wenn die Vorlage angenommen wird ist mir schleierhaft. Das Gegenteil ist der Fall, nur Gewinne, die in der Firma gelassen werden, werden investiert. Zu behaupten Arbeitsplätze würden gesichert und geschaffen wenn man sich steuerlich reduzierte Dividenden ausschüttet, ist bizarr. Dann wäre eher eine Reduktion der Gewinnsteuer angebracht.

Mein stiller Investor will auch keine Dividenden. Sein „Lohn“ dafür, dass er sich finanziell beteiligt hat und ein Risiko eingegangen ist, wird kommen, wenn wir die Firma verkaufen. Dann wird er ein Mehrfaches von dem zurückbekommen, was er investiert hat. Und dieser Kapitalgewinn wird steuerfrei sein. Auch das ist eigentlich üblich so – der Gewinn für das Einbringen von Risikokapital funktioniert über die Realisierung von Kapitalgewinnen durch einen sogenannten „Exit“ (Börsengang oder Verkauf). Zumindest bisher. Nun will man den Fünfer und das Weggli: Laufende Dividenden-Erträge und den (steuerfreien) Exit-Gewinn.

Mehr Gerechtigkeit soll die Vorlage bringen. Die Doppelbesteuerung, zuerst als Unternehmensgewinn, dann als Dividende sei stossend. Aber bitte – welches KMU zahlt denn schon namhafte Steuern? Wie gesagt, Gewinne können mit Verlusten über sieben Jahre kompensiert werden. Zudem kann man über Boni an Mitarbeitende hohe Gewinne ausschliessen – und diese sind es schliesslich, die die Arbeit machen und massgeblich zum Erfolg beitragen, wesentlich mehr als nicht mitarbeitende Kapitalgeber. Und überhaupt – wieso Doppelbesteuerung? Einmal wird die Firma besteuert, die von staatlichen Leistungen profitiert: Gut ausgebildete Mitarbeiter, eine hervorragende Infrastruktur. Dann wird der Anteilseigner besteuert, auf sein Dividendeneinkommen, so wie jedes Einkommen versteuert werden muss. Fünf von meinen langjährigen Mitarbeitern haben auch Anteile an der Firma, jeder weniger als 10% , auch dies typisch für viele Dienstleistungs-KMU. Wie bitte soll ich ihnen erklären, dass sie allfällige Dividenden voll versteuern müssen ich aber reduziert. Was soll daran gerecht sein?

Nein, die ganze Vorlage ist eine unglaubliche Irreführung. Profitieren werden vor allem Grossaktionäre. Herr Vekselberg zum Beispiel, der russische Oligarch, der sich über die Hintertür einen 30%-Anteil an Sulzer erworben hat. (Aber zu diesem Herrn ein anderes Mal) Die Vorlage reiht sich nahtlos an die fatale Tendenz, dass Einkommen auf Arbeit und Konsum ständig mehr belastet wird und Einkommen auf Kapital entlastet wird. Dies ist volkswirtschaftlich schädlich und nicht nützlich, wie immer suggeriert wird.

KMU und Startups haben andere Probleme: Bei Liquidation oder Nachfolge müssen die ehemals in der Firma belassenen Gewinne und nun herausgelöste Kapital über mehrere Jahre versteuert werden können – das ist richtig so. Gewinnschmälernde Rückstellungen für Produktentwicklung, Innovationen und dergleichen müssen möglich sein. Viele KMU-Eigentümer und vor allem GründerInnen zahlen sich am Anfang oder in schlechten Zeiten gerade mal knapp existenzsichernde Löhne aus und dies über mehrere Jahre zum Beispiel 3’000.- Franken im Monat. In guten Zeiten zahlen sie sich quasi rückwirkend eine Lohnerhöhung auf beispielsweise 6’000.- Franken nach. Dies treibt einen in eine hohe Progression, sodass man gesamthaft wesentlich mehr Steuern zahlen muss. Das sollte man ändern, sodass die Besteuerung für die Lohnnachzahlungen über mehrere Jahre verteilt werden kann. Das sind die realen Probleme und Ungerechtigkeiten.

Herr Merz – willkommen in der realen KMU-Realität. Ich werde die Vorlage aus tiefster Überzeugung bekämpfen.

* Jacqueline Badran ist Biologin und Ökonomin HSG, Unternehmerin und SP Gemeinderätin Zürich